Smarte Mädchen im BFI Wien: Wider die Geschlechterklischees
Smarte Mädchen im BFI Wien: Wider die Geschlechterklischees
Frauen als „Benzinschwestern“? „Da ist doch nichts dabei“, sagt Melanie Steurer, KFZ-Lehrling in der Lehrwerkstätte des BFI Wien. „Man muss den Mut haben, sich in einen Männerberuf zu trauen“, ergänzt Andrea Sochor. Auch ihre Kolleginnen Melanie Wölfig und Barbara Busch sind sich einig: „Was Männer können, können Frauen auch.“
Das Smart for two City Coupé, das nach einem schweren Motorschaden jetzt wieder betriebsbereit ist, veranschaulicht die Aussagen der jungen Frauen: In vier Wochen Detailarbeit haben Steurer und ihre Kolleginnen im Zuge ihrer überbetrieblichen Lehrausbildung (ÜBA) die Ursache für den Motorschaden ermittelt, den Motor in seine Einzelteile zerlegt und nach erfolgreicher Reparatur wieder zusammengesetzt.
Eine Vorgehensweise, die wegen des Kosten- und Zeitdrucks heute oft gar nicht mehr unterrichtet wird: „Dieses Projekt verdeutlicht nicht nur, dass die Stereotype in Sachen ‚Frauen und Autos‘ falsch sind“, erklärt BFI Wien-Geschäftsführer Franz-Josef Lackinger bei der Präsentation des Wagens. „Es zeigt auch die Stärke der überbetrieblichen Lehrausbildung: Anstatt den defekten Motor lediglich zu tauschen, hatten die vier Mädchen bei uns die Möglichkeit, die Diagnose, Kostenaufstellung und Reparatur eines Motors von Grund auf zu erlernen. Damit sind sie für den Einsatz in der KFZ-Branche bestens gerüstet.“
Möglich wurde diese intensive Auseinandersetzung mit der Materie vor allem auch durch die Expertise von Kristiyan Petrovic, Leiter des Bereichs Kraftfahrzeugtechnik in der Lehrwerkstätte, und seiner Mannschaft. „Unsere Ausbildnerinnen und Ausbildner bringen jahrelange Erfahrung mit. Wir sind sehr dankbar, dass sie ihr wertvolles Wissen mit Leidenschaft an die nächste Generation weitergeben“, bedankt sich Lackinger bei seinem Team.
Abseits traditioneller Rollenmuster
Busch, Sochor, Steurer und Wölfig gehören einer Minderheit an: So lag der Frauenanteil im Lehrberuf KraftfahrzeugtechnikerIn im Jahr 2012 bei 3,1%*. „Immer noch wählen Mädchen zu einem Großteil (47,9 Prozent*) die drei gleichen Lehrberufe: Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau, Frisörin“, hält Lackinger fest.
Für AMS Wien-Geschäftsführerin Petra Draxl ein entscheidender Punkt: „Wir wollen Mädchen Mut machen, sich für einen handwerklichen oder technischen Beruf zu entscheiden, weil diese Bereiche fast immer bessere Bezahlung und bessere Karrierechancen bieten als viele klassische Frauenberufe. Es geht also auch darum, später ein sicheres, wirtschaftlich unabhängiges Leben führen zu können.“ Die Lehrabschlussprüfung ist die Eintrittskarte für eine erfolgreiche Berufslaufbahn und entsprechende Jobchancen. „Das ist auch Grund dafür, dass wir gemeinsam mit dem waff durch die Wiener Ausbildungsgarantie allen Jugendlichen, die eine Lehre machen wollen, einen sicheren Ausbildungsplatz ermöglichen“, so Draxl.
Wehsely: „Mädchen können alles!“
„Das Projekt ‚Smarte Mädchen‘ des BFI Wien beweist eindrucksvoll: Mädchen können nicht nur alles, sie können mehr“, zeigt sich die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds) GRin. Tanja Wehsely begeistert. „Mädchen eine Ausbildung jenseits traditioneller Rollenmuster zu ermöglichen, ist in Wien kein Schlagwort, sondern Programm. Im Rahmen der Wiener Ausbildungsgarantie stellen wir daher von Anfang an sicher, dass Mädchen unter für sie passenden Rahmenbedingungen die Chance haben, Berufe wie KFZ-TechnikerIn, MechatronikerIn oder IT-TechnikerIn kennen zu lernen. Warum wir das tun, liegt auf der Hand: Derzeit gibt es rund 200 Lehrberufe, aus denen Mädchen wählen können, mehr als die Hälfte entscheidet sich jedoch nach wie vor für klassische ‚Frauenberufe‘.“ Die Berufswahl trage aber ganz entscheidend zur Einkommenssituation bei. „Die klassischen ‚Frauenberufe‘ sind in der Regel schlechter bezahlt als technisch handwerkliche“, betont Wehsely nochmals. Was in Sachen Mädchenförderung in den überbetrieblichen Lehrwerkstätten, wie z.B. im BFI Wien angeboten werde, sei jedenfalls „vorbildlich für alle Ausbildungsbetriebe“.
Wehsely unterstreicht außerdem, dass Bund und Stadt Wien insgesamt 54 Mio. Euro für die überbetriebliche Lehrausbildung im Ausbildungsjahr 2013/2014 zur Verfügung stellen: „Damit schaffen wir sichere Ausbildungsplätze für 3.000 Mädchen und Burschen, die sonst keine Lehrstelle finden würden. Jeder Cent der 54 Mio. Euro zahlt sich aus, denn es geht um nichts weniger als die Zukunft von jungen Wienerinnen und Wienern.“ Die überbetriebliche Lehrausbildung sei das Herzstück der Wiener Ausbildungsgarantie.
85% schaffen Abschlussprüfung auf Anhieb
Das BFI Wien ist eine von 15 Ausbildungseinrichtungen, die im Auftrag des Arbeitsmarktservice Wien (AMS Wien) und mit Co-Finanzierung durch den Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff) in Wien überbetriebliche Lehrausbildungen durchführt.
Derzeit werden 459 Jugendliche in 18 Berufen ausgebildet. Zusätzlich besuchen 106 Jugendliche integrative Ausbildungen. „Unser Ziel ist es, dass jene Jugendlichen, die ihre Wunschlehrstelle nicht in einem Betrieb gefunden haben, sofort in die Ausbildung einsteigen können – und dann so rasch wie möglich in einen Betrieb wechseln“, erklärt Lackinger: „Ist das nicht möglich, können sie die Lehrzeit zur Gänze in der überbetrieblichen Lehrwerkstätte absolvieren“. Und das mit Erfolg, wie die Statistik verdeutlicht: 2012 absolvierten 124 von 146 Lehrlingen (85%) am BFI Wien ihre Lehrabschlussprüfung in der Wirtschaftskammer auf Anhieb positiv.
Die überbetriebliche Lehrausbildung sorge damit nicht nur für die Ausbildung zukünftiger Fachkräfte und übernehme soziale Verantwortung, sondern trage auch dazu bei, dass Österreich zu den Ländern mit der geringsten Jugendarbeitslosigkeit Europas zählt, so Lackinger. „Und es ist ein Gerücht, dem man endlich entgegensteuern muss, dass Lehrlinge die eine überbetriebliche Lehre beginnen, aufgrund mangelnder Qualifikation keine andere Lehrstelle gefunden haben. Die Gründe sind vielfältig und oft ganz banal. So ist es für viele kleinere Werkstätten beispielsweise oft kaum möglich einen weiblichen KFZ-Lehrling aufzunehmen, weil schlicht die vorgeschriebenen getrennten Garderoben und Sanitärräume fehlen.“
Kunst trifft Pferdestärken: Warhol trifft Basquiat
Der Smart bleibt jedenfalls nicht nur ein Lehrstück, sondern versieht künftig als mobiler Werbeträger seinen Dienst beim BFI Wien. Als erster Kooperationspartner konnte das Bank Austria Kunstforum Wien mit der aktuellen Ausstellung „Warhol / Basquiat“ gewonnen werden. Eine spektakuläre Beklebung und Graffitibesprayung des „Writers“ Mathias Seemann, die in Kooperation mit der Levin Statzer Foundation (www.levin-statzer.at) entstanden ist, wirbt in den nächsten Wochen für die extravagante Werkschau. „Das Bank Austria Kunstforum Wien setzt sich seit vielen Jahren für Chancengleichheit ein“, erklärt Direktorin Ingried Brugger das Engagement. „Auch die Kunst war lange Zeit eine Männer-Domäne. Ich finde es daher unglaublich wichtig, Gleichheit schon in der Ausbildung zu leben.“ Gleichheit – wenn auch unter anderen Gesichtspunkten – sei eines der zentralen Themen der Ausstellung. „Ich bin mir sicher, dass diese smarte Aktion den beiden Künstlern gefallen hätte: Warhol steht prototypisch für die Artifizierung von Marken und war von Autos derart angetan, dass es heute so etwas wie ein ‚automobiles Werk‘ gibt. Auch Basquiat liebte es, Autoreifen zu besprayen oder comichafte Zeichnungen von Autos anzufertigen“, so Brugger. „Dass Matthias Seemann quasi Basquiats Werk fortsetzt, ist ein Beitrag, um Kunst lebendig zu halten.“
(*Quelle: Lehrlingsstatistik WKÖ - Wirtschaftskammer Österreich)
Fotocredit: BFI Wien/Marko Zlousic
Bild 1: v.li. Petra Draxl (AMS Wien), Franz-Josef Lackinger (BFI Wien) und Tanja Wehsely (waff)
Bild 2: v.li. Tanja Wehsely, Franz-Josef Lackinger und Petra Draxl mit dem Smart.
Bild 3: v.li. Tanja Wehsely, Franz-Josef Lackinger, Mathias Seemann, Petra Draxl und die Smarten Mädchen
Bild 5: Hannah Hradec, Barbara Busch, Melanie Steurer, Andrea Sochor.
Bild 6: Der von Mathias Seemann gestaltete Smart.
Bild 7: Der „Writer“ Mathias Seemann bei der Arbeit
Rückfragehinweis:
Mag. Jan Weinrich, MBA
BFI Wien, Pressesprecher
Tel: +43 1 811 78-10355
Mobil: +43 699 168 623 55
Mail: j.weinrich@bfi.wien