Österreich: "Noch Aufholbedarf beim Thema Digitalisierung"
ÖSTERREICH: Der Arbeitsmarkt verändert sich stark - wie sehen Sie Österreich vorbereitet auf den Umbruch durch die Digitalisierung? VALERIE HOLLINGER: Beim Thema Digitalisierung haben wir sicher nochAufholbedarf. Nur 50 %der heimischen Unternehmen haben eine digitale Agenda - also einen Plan für diesen Umbruch. Vor allem die KMU kämpfen hier noch. Was fatal ist, denn die Digitalisierung fragt uns nicht, ob wir vorbereitet sind. Sie kommt ungefragt und rasch.
ÖSTERREICH: Wo haben wir die größten Lücken?
HOLLINGER: Die größten Lücken gibt es wohl beim Thema Digitalkompetenzen, sonst hätten wir nicht solche Probleme, die Stellen für Softwareentwickler, Systemadministratoren und Webentwickler zu besetzen. Allein im 1. Halbjahr waren österreichweit knapp 12.000 Positionen in diesem Umfeld offen. Um das zu lösen, brauchen wir eine Veränderung in der Ausbildung. Und zwar rasch, weil diese Jobs jetzt besetzt werden müssen. Das bedeutet auch, dass wir die Finanzierung von Höherqualifizierung neu denken müssen.
ÖSTERREICH: Auf welche Angebote fokussieren Sie am BFI angesichts der neuen Herausforderungen?
HOLLINGER: Wir haben mit unserem Digi-Campus ein Zeichen gesetzt, dass wir bei der digitalen Transformation maßgeblich unterstützen wollen. Und wir entwickeln uns permanent weiter. So haben wir uns vor Kurzem über einen Ideenwettbewerb neue Inspirationen geholt. User aus der ganzen Welt nahmen an diesem Crowdcontest teil und lieferten über 100 spannende Ideen, die wir sukzessive umsetzen: Etwa eine Seminarreihe zu Trendthemen wie Blockchain, künstliche Intelligenz, Internet of Things etc. als Jahrespackages für Firmen. Oder eine neue Ausbildungsreihe im Bereich Smart Home für Handwerker. Zudem forcieren wir Virtual Reality in der Bildung und arbeiten an einer Kursauswahl-App, die im Tinderstil den Menschen das Finden der passenden Kurse vereinfacht.
OSTERREICH: Wien soll eine zunehmend wichtige Rolle in der Start-up-Szene spielen. Welche Voraussetzungen braucht es dafür?
HOLLINGER: Andere Rahmenbedingungen und Know-how. Ich würde mir etwa wünschen, dass Firmenpleiten auch als wertvoller Erfahrungssprung und nicht nur als Stigma betrachtet werden. Wir brauchen eine Kultur der zweiten Chance. Hinsichtlich Know-how: Egal ob buchhalterische Kenntnisse, Kompetenzen in Mitarbeiterführung oder Vertriebswissendie Start-ups brauchen neben Begeisterung ein buntes Potpourri an Fähigkeiten. Am BFI Wien bieten wir das als One-Stop-Shop an.
Wir arbeiten an einer Kursauswahl-App im Tinder-Stil.