ExpertenClub: Wenn der Mitarbeiter zur Gefahr wird
Wirtschafts- und Cyberkriminalität boomen, nicht selten handelt es sich um Inside-Jobs. Kann man diesem Problem durch Profiling im Recruiting Herr werden? Das diskutierten der Kriminalpsychologe und Top-Profiler Thomas Müller, Jobrocker-Geschäftsführer Günther Strenn und BFI Wien-Geschäftsführerin Valerie Höllinger im Zuge des BFI Wien ExpertenClubs in der Wiener Labstelle.
Ob ein Mitarbeiter eines Tages destruktives Verhalten an den Tag legen wird, sei kaum zu prognostizieren, „weil Verhalten immer individuell und nie statisch ist“. Entscheidend für die Loyalität eines Mitarbeiters sei das Selbstwertgefühl. Laut Müller generiert sich das über den Beruf, die Interaktion und das Ego, also die Dinge, die wir nur für uns selbst tun. Und wenn diese drei Aspekte gut ausbalanciert seien, würden Mitarbeiter seltener zu destruktivem Verhalten neigen. Müllers Appel an Führungskräfte: „Stellen Sie ab und zu die Frage: ‚Brauchst du etwas? Wie geht es dir?‘.“ Die Frage müsse aber ernst gemeint sein und in einem persönlichen Gespräch geschehen – „nicht elektronisch“. Außerdem müsse man sich schon im Recruiting die Frage stellen: „Erzielt die Person Erfolge mit anderen oder auf Kosten anderer?“ Das gebe schon weitreichende Aufschlüsse.
Strenn strich in diesem Kontext die Vorteile von eRecruiting hervor. Eine schnellere Auswahl, weniger Aufwand, unterschiedlichste Informationsquellen – „wir schauen ja nicht nur auf Facebook“ – Ortsunabhängigkeit und ein größere Selektion würden es seiner Meinung nach erleichtern, die richtigen Kandidaten für die Jobs herauszufinden. Gänzlich automatisiert könne der Recruitingprozess aber nicht verlaufen. „Bezüglich Erfahrungsschatz und Intuition sind Fachberater dem Computer noch meilenweit überlegen“, erklärte der Jobrocker-Gründer. Der Einsatz von E-Recruiting sei eine unterstützende Maßnahme und „die letztendliche Entscheidung liegt immer beim Menschen“.
Valerie Höllinger sieht zwischen E-Recruiting und analoger Personalauswahl „kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch“. „Trotz Algorithmen wird am Ende immer das Individuum zählen. Ich bin aber überzeugt davon, dass sich beide Welten gut verbinden lassen.“ Die BFI Wien-Geschäftsführerin strich die Notwendigkeit eines Umdenkens hervor. „Ich glaube, dass wir künftig alle ein Verständnis für Algorithmen haben sollten. Wir brauchen Social Media-Kompetenz und die Führungskräfte brauchen noch mehr soziale Kompetenz – Stichwort Empathie –, um sich auf das Gegenüber besser einlassen zu können und Gefahrenpotenziale frühzeitig zu erkennen“, so Höllinger. „Stetige Aus- und Weiterbildung ist dabei der Schlüssel, um gut und sicher in die Zukunft zu gehen.“
Den Link zur Fotogalerie finden Sie hier. Einen umfassenden Artikel zum ExpertenClub können Sie zudem im KARRIERENSTANDARD vom 1. Juli 2017 oder hier nachlesen.