Logistik ist eindeutig eine Wachstumsbranche
Die Umsätze in der Logistik schießen dank dem wachsenden Online-Handel durch die Decke. Gleichzeitig erlebt die Branche eine massive digitale Aufrüstung. Horst Gamperl, Lagerlogistik-Lehrgangsleiter am BFI Wien, spricht im Interview über Karrierechancen, über Industrieroboter und autonome Fahrzeuge – und wie der Mensch die Automatisierung der Logistikprozesse nutzen kann.
Die heimische Logistikbranche ist 2016 laut aktuellsten Zahlen um neun Prozent gewachsen, 2017 könnte sogar zweistellig sein. Warum?
Ja, es stimmt, Logistik ist eindeutig eine Wachstumsbranche. Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich: Zunächst gibt es die Tendenz zu Losgröße 1, das heißt, die kleinteiligen Sendungen im Logistikbereich wachsen. Verantwortlich dafür sind die neuen Medien, die eCommerce mit ständig wachsendem online-Handel befördern. Dadurch verändern sich natürlich alle Logistikprozesse, vom Wareneingang über Lagerung, Kommissionierung, Verpackung und Warenausgang.
Zudem verändert sich die Logistik vom reinen Kostenfaktor zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Effiziente Logistikprozesse mit optimalen Kostenbildern sind verantwortlich für Kundenzufriedenheit. Die Wirtschaft fragt daher nach diesen professionellen Logistikprozessen intensiv nach. Dass eine effiziente Logistik wichtig ist wurde vom KMU bis zum Weltkonzern erkannt.
Wird der Mensch mit der zunehmenden Automatisierung der Branche irgendwann unnötig?
Das schließe ich aus. Sicher ist, dass praxisbezogene Ausbildung, wie sie im Bereich Logistik am BFI Wien angeboten wird, unbedingt notwendig ist. Berufsbilder ohne Ausbildungsvoraussetzungen wird es künftig nicht mehr geben, da es diese Arbeitsplätze im Zuge von Logistik 4.0 und Digitalisierung nicht mehr geben wird. Doch gerade die Digitalisierung erfordert den Aufbau neuer Berufsbilder und die Forcierung der Ausbildung, um diese neuen Arbeitsplätze auch besetzen zu können.
Sie unterrichten am BFI Wien in den Lehrgängen „Betriebslogistikkauffrau/-kaufmann“ und „LagerleiterIn mit Führungsqualität“. Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens am Beispiel meiner Person zu vermitteln. Den Teilnehmern und Teilnehmerinnen die großen Chancen am Arbeitsmarkt im Logistikbereich bewusst zu machen und mit dem „Logistikbazillus zu infizieren“. Basis dafür ist ein kompaktes Logistikwissen um die Logistik im jetzt und für die Zukunft schillernd, bunt und damit spannend vermitteln zu können
Wie hoch ist generell der Frauenanteil in der Branche?
Im Bereich der Frauenquote besteht im Logistikbereich – vor allem in höher qualifizierten Positionen - noch Nachholbedarf. Einen höheren Frauenanteil gibt es bislang vor allem im Kommissionierungsbereich bei Handels- und Dienstleistungsunternehmen zu Tagesrandzeiten, um Auftragsspitzen ressourcenmäßig abdecken zu können.
Dieses Bild spiegelt sich auch bei den Teilnehmern und Teilnehmerinnen in den Lehrgängen. Hier eine Offensive zu starten – wie bereits an anderen BFIs geschehen – könnte erfolgreich sein.
Was würden Sie BerufseinsteigerInnen empfehlen?
Hier setze ich gerne meine Logistikbrille auf. Ich würde mir wünschen, dass in jedem Schul- und Ausbildungssystem die logistischen Grundlagen geschult werden. Da man heute in vielen Berufsbildern unabhängig vom Level mit Logistik direkt oder indirekt beschäftigt ist, kann ich BerufseinsteigerInnen nur ans Herz legen sich mit Logistik zu beschäftigen. Eine Möglichkeit wäre der künftig am BFI Wien angebotene Lehrgang „Einstieg in die Smart-Logistik“. Der Lehrgang vermittelt grundlegendes Logistikwissen und ist eventuell Anreiz für weitere Ausbildungsschritte im Logistikbereich
Wie sehen Sie die Zukunft – was ist für Sie Logistik 4.0?
Logistik 4.0 ist die physische Vernetzung von Prozessen der Lieferkettenpartner – also Lieferanten, Hersteller, Großhändler, Einzelhändler und Logistikdienstleister - bis zum Kunden, digital gesteuert durch intelligente Informations- und Kommunikationssysteme (IKT). Durch diese IT-Systeme werden die Entscheidungsstrukturen flacher und dezentraler. Das steigert die Effizienz, etwa durch die Erhöhung der Automatisierung und der Prozessgeschwindigkeit. Aber auch die Effektivität nimmt zu, etwa durch Flexibilität und individualisierte Dienstleistungen.
Autonome Fahrzeuge, Industrieroboter, vernetzte Lager: Was ist hier in den nächsten Jahren zu erwarten?
Dieser Weg ist im Zeitalter der Digitalisierung nicht aufzuhalten, soll auch nicht gestoppt werden und passt sehr gut zu meinen vorigen Antworten. Industrieroboter sind seit langem in der Produktion im Einsatz und unterstützen vermehrt auch Logistikabläufe. Autonome Fahrzeuge werden in der Intralogistik bereits mit Erfolg eingesetzt, für den Einsatz im öffentlichen Bereich bei den Verkehrsträgern Straße, Schiene, Wasser und Luft müssen erst die entsprechenden technischen und gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Der Ausdruck vernetzte Lager ist zu eng gesetzt. Die Steuerung ob Lager oder Transport wird durch vernetzte IT-Systeme erfolgen. Besonders zu beachten sind künftig auch selbstlernende Systeme, das Prädikat künstliche Intelligenz wird an Bedeutung stark gewinnen.
Wo müssen Unternehmen jetzt aufrüsten, um mit ihrer Supply Chain konkurrenzfähig zu bleiben?
Unternehmen müssen sich mit den Themen Digitalisierung und Logistik 4.0 befassen und versuchen ihre Supply Chain Prozesse intelligent zu digitalisieren. Das geht mit Unterstützung von Experten und gut ausgebildeten Mitarbeitern.
Was erwarten Sie sich vom 34. Logistik Dialog, der am 12. Und 13. April in Wien-Vösendorf stattfindet?
Der Logistik Dialog wird wie jedes Jahr ein Vernetzungsevent für die Logistikbranche. Unser Tagungsmotto lautet heuer #WerteWeltWandel, der Fokus in den Vorträgen und Diskussionen wird einerseits auf Menschen und Kunden im Zeitalter der Digitalisierung gelegt, andererseits werden von der Technologie- und Informationsseite, zum Beispiel die Highlights über Robotics, Augmented Reality und künstliche Intelligenz dem Publikum präsentiert. Einen Fixplatz haben auch Nachhaltigkeitspreis und NewComer-Award, hier werden Erfolgsstorys mit Logistikbezug prämiert.
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